Zwischen 1700 und 1900 galt der tägliche Wein nicht nur als Getränk, sondern auch als vorbeugende Medizin zur Gesundhaltung der Bevölkerung. Da der Rebbau auch für arme Leute einen willkommener Zusatzverdienst einbrachte, war der Rebbau auch in „teuren“ Zeiten eine wichtige Einnahmequelle bezüglich Selbstversorgung und finanzieller Sicherheit.
1721 beschloss der kleine Rat, dass für ausländische Weine ein Importverbot auszusprechen sei.
Da vielfach die Trinkwasserqualität schlecht war, wurde zu deren Verbesserung vielfach das Wasser mit Wein vermischt. Auch den Kindern wurde das Wasser mit Wein desinfiziert.
Der Wein hatte zu jener Zeit eine fast mythische Bedeutung.
Ende des 17. und im ersten Viertel des 18. Jahrhundert wurde anscheinend die Rebfläche in Münchenstein ausgedehnt. Dies durch das Pflanzen von sogenannten Feldreben.
Zu jener Zeit unterschied man zwischen den Bergreben, die an den Hängen ums Dorf gediehen und den Feldreben, welche die Münchensteiner vornehmlich im Gebiet Bruckfeld – Hofmatt anbauten. Bergreben waren für eine langjährige Nutzung (20 Jahre und mehr) vorgesehen und daher an teure Eichenstickel gebunden. Während die nach kurzer Zeit wieder ausgestockten Feldreben nur von Tannenstecken gestützt wurden.
Das Gebiet um Eckenstein (heutiges Friedhofareal ) war komplett mit Rebstöcken bepflanzt, Fläche ca. 4 ha.
1880 gehörte Münchenstein zu den grössten Weinbaugemeinden im Baselbiet.
Münchenstein hatte neben Liestal (Gebiet Schleifenberg) die zweitgrösste Rebfläche im Kanton Baselland, und war der Weinlieferant der Stadt Basel.
Im nachfolgenden Bild sehen wir im Gebiet Südhang des Gruthtälchens und im „Hintenaus“ einen Teil des grossen Rebbestandes bis 1920, aus welchem der gute und bekannte Münchensteiner gewonnen wurde.
Heute erinnert nur noch die 1470 erbaute und 1560 umgebaute Zehntentrotte im alten Dorfkern an jene Zeit. In diesem ehemalige Speicher der Schlosses standen ursprünglich zwei, und von 1794 an drei Pressen.
1911 wurde der Kelterraum in einen Versammlungssaal mit Galerie umgebaut. Das schön geschmückte Lokal wurde damals für die Gemeindeversammlungen und später für die Bürgergemeindeversammlungen genutzt.
1985 wurde die letzte grosse Renovation vollzogen. Heute dient die Trotte vor allem den
Bürgergemeindeversammlungen. Weiter dient der Saal für die verschiedensten kulturellen Anlässe der Bürgergemeinde.
Trotte nach der Renovation 1985
Die Bewirtschaftung der Münchensteiner Reben erfolgte:
1797 bis 1815: auf 4.71 ha
1906: auf 20 ha
1966: auf 0 ha
Weinlese Oktober 1902
Der Rückgang des Rebbaus hatte verschiedene Gründe. So wurde bereits vor 1889 eine grosse Rebfläche durch falschen Mehltau und Rotbrenner vernichtet. Dies heisst bereits vor dem Auftauchen der Reblaus.
Schon um 1875 wurde die Einfuhr von amerikanischem Rebholz zur Vermeidung der Einschleppung der Reblaus erstmals beschränkt und dann später verboten. Man sprach auch von Bodenmüdigkeit und Degeneration der Rebstöcke. Durch Dr. Müller Thurgau wurde diese Theorie jedoch bereits 1889 widerlegt. Die Ursache lag nach Ansicht von Dr. Müller Thurgau beim Pilzbefall und bei Fehlern in der Pflege der Reben.
Dr. Müller Thurgau empfahl damals die Bekämpfung des Pilzbefall mit der sogenannten Bordeaux – Brühe ( Kupfervitriol und Kalkmilch), welche mangels fehlender Spritzen, mit Mehlwischern oder einem Strauss aus Stroh ausgebracht wurde. Ebenfalls schlug er verbesserte Kultivierungsmethoden vor.
Zur Bekämpfung der Reblaus wurden Bodendesinfektion und Anbau von resistenten Hybriden oder veredelten Reben empfohlen, ja sogar vorgeschrieben. Diese Massnahmen brachten aber nicht den ersehnten Erfolg. Der Schädling breitete sich weiterhin aus.
Für das Verschwinden der Rebflächen in Münchenstein gibt es aber auch verschiedene andere Gründe:
Zum Beispiel die Erfindung der Eisenbahn und das Aufkommen der Autos. Diese Transportmöglichkeiten ermöglichten bereits damals die Einfuhr von billigeren ausländischen Rotweinen. Die Rebleute konnten dank der besseren Transportmöglichkeiten in der aufkommenden Industrie der Stadt ihren Taglohn besser und mit weniger Schweiss verdienen.
1847 wurden in Münchenstein 1'835 Saum Wein gekeltert. 1 Saum = 1.5 hl
d.h. in Münchenstein wurden umgerechnet 2'752.5 hl oder 275'250 Liter) Wein produziert.
Apropos: Zum Jahreslohn eines Pfarrers gehörte 1 Saum Wein.
Zu jener Zeit wurde der „ Zehnte“, der Zehnte Teil des getrotteten Mostes, als Abgabe „behändigt“.
Ca. um 1800, also zu jener Zeit als Münchenstein eine selbstständige Gemeinde ohne Einfluss der Stadt wurde, änderte sich diese Art der Abgabe (Steuern).
Man hat wohl den getrotteten Most ausgemessen, mit der Berechnung des „Zehnten“ jedoch zugewartet, bis sich der Weinpreis eingependelt hatte und dann, auf Grund dieses Preises, die Abgabe in Geld festgelegt.
Um das Jahr 1770 kostete 1 Saum Wein 10 bis 12 Pfund das heisst: ca. 1.5 Schilling pro Liter.
Kinder im Rebberg im Eckstein
Ab Mitte der 50er Jahre waren die Rebberge aus Münchenstein verschwunden. Erst in den letzten Jahren sind, auf private Initiative hin, wieder kleinere Rebflächen entstanden.
Auf der Parzelle Nr. 956, Grundbuch Münchenstein, Flurname: Schweissberg, Strassenname: Steinweg, Eigentum der Bürgergemeinde Münchenstein, bauen wir nun den neuen Rebberg.
Auf diesem und anliegenden Landstücken wurden früher schon mal Reben bewirtschaftet.
Eine Zeichnung von Emanuel Büchel (Münchensteiner Heimatkunde) aus dem Jahr 1738 bestätigt dies.
Emanuel Büchel 1738
Die Parzelle galt als Bauland im Baurecht. Zur Zeit des Entscheides war einerseits eine Überbauung nicht interessant, andererseits ist der Bürgerrat der Ansicht dass nicht unbedingt jede noch freie Fläche in der Gemeinde überbaut werden sollte. Landwirtschaftlich ist die Parzelle ebenfalls schlecht nutzbar.
Unter diesen Voraussetzungen und mit dem Wissen von Münchenstein als frühere Rebgemeinde entschloss sich der Bürgerrat der Bürgergemeindeversammlung dieses Projekt vorzuschlagen, was alsdann einstimmig angenommen wurde.
Die bisherigen Vorarbeiten, welche bereits ausgeführt sind, wurden durch Bürger in Fronarbeit ausgeführt. Heute pflanzen wir den „Roten“; „Blauburgunder Marienfeld“. Es sind dies ca. 600 Rebstöcke. Anschliessend werden auf der noch brachliegenden Fläche Sonnenblumen als Zwischenkultur eingesät.
2003 wird die zweite Hälfte der Rebberges mit der Weissweintraube „Sauvigion blanc“ bepflanzt.
Eberzahn. Archäologischer Fund beim Rebbergbau
In den folgenden drei Jahren werden wir vor allem mit dem Aufbau und der Pflege des Rebberges beschäftigt sein. Als Resultat erhoffen wir uns dann zwei gute und bekömmliche Weine produzieren zu können.
Der Bürgerrat bedankt sich heute bei allen involvierten Instanzen und Behörden von Gemeinde, Kanton und Bund, sowie den Nachbarn der Rebbauparzelle für das Verständnis und die notwendigen Bewilligungen.
Alle Beteiligten ermöglichen damit der Bürgergemeinde Münchenstein ein althergebrachtes Kulturgut wieder aufleben zu lassen.